Ganztagsschulen bieten den Schüler:innen bedarfsgerecht unterschiedliche Bildungselemente an, die formales, non-formales und informelles Lernen ermöglichen und insbesondere ihre Persönlichkeitsentwicklung unterstützen. Dazu zählen unter anderem der Unterricht, Förderangebote sowie Essens-, Erholungs-, Spiel- und Freizeiten, Arbeitsgemeinschaften und Projekte, die auf inhaltlicher Ebene auch miteinander verzahnt werden können.
Das Lernen über den ganzen Tag in einer Ganztagsschule als Lern- UND Lebensort bietet gerade in diesen Zeiten besonders gute Möglichkeiten der Kompensation von Bildungsverlusten und insbesondere der sozial-emotionalen Unterstützung von Kindern und Jugendlichen. Auf dieser Seite finden Sie zahlreiche Anregungen zur Gestaltung des Lernens über den ganzen Tag.

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Das Padlet „Lernen über den ganzen Tag“ ist eine digitale Pinnwand und bietet eine Impulssammlung, wie zentrale Bildungsthemen vor allem auch im außerunterrichtlichen Bereich umgesetzt werden können. Im Padlet enthalten sind Anregungen zu den Themen:

  • eFöB gestalten in Coronazeiten
  • Sprachbildung
  • Kulturelle Bildung
  • Demokratiebildung
  • Medienbildung
  • Individuelle Förderung
  • Forschendes Lernen
  • Lernen Zuhause (saLzH)

Welche Chancen der Bearbeitung von Pandemiefolgen bieten Ganztagsschulen?

Noch wissen wir nicht sehr genau, welche konkreten Folgen die Schulschließungen, die langen Phasen des schulisch angeleiteten Lernens  zu Hause mit häufig weniger dialogischen und kooperativen Formaten (KWiK-Studieund vor allem die Krisenerfahrung bei Kindern und Jugendlichen nach sich ziehen (Wößmann 2021)Zu rechnen ist mit kurz- und langfristigen immens gesteigerten Bedarfen beim Ausgleich von Lernverlusten und insbesondere auch hinsichtlich der sozio-emotionalen Stärkung der Kinder und Jugendlichen (Hurrelmann/Dohmen 2021). Die Krisenerfahrungdie Verdrängung von Kinder- und Jugendthemender Mangel an Bewegung und die massiven Veränderungen des sozialen Umfelds, des Alltags und der Möglichkeiten der Kommunikation erzeugen vielfältige Formen u.a. der Trauer, Angst, Verunsicherung, des Stresses und Strukturverlusts etc. Vor allem Kinder aus sozio-ökonomisch schwächeren Familien sind besonders betroffen, zeigt die COPSY-StudieManche Schüler:innen haben gerade während der Schulschließungen und der Notbetreuung aber auch profitieren können von kleineren Lerngruppen, mehr Ruhe beim Lernen Zuhause oder auch in den Lern- und Betreuungssettings der Notbetreuung an der Schule oder in Unterstützungsprogrammen, wo ggf. mehr pädagogische Zuwendung möglich war, als im gewohnten Schulbetrieb.

Auch wenn die pandemische Krise für nahezu alle Kinder, Jugendlichen und auch Erwachsenen eine neue Erfahrung ist, deuten wissenschaftliche Analysen darauf hin, dass die Pandemielage – insbesondere mit dem Blick auf Bildungschancen (Dumont 2021) – die auch schon vorher vorhandenen Problemlagen verstärkt. Da aber alle Schüler:innen, wenn auch in unterschiedlichem Grad, betroffen sind, haben wir es mit einer neuen Dimension zu tun.
Die Legitimation der Ganztagsschule – nämlich einen bedeutsamen Beitrag zu mehr Bildungsgerechtigkeit zu leisten – wird somit nicht nur
aktualisiert, sondern eher noch verstärktInsbesondere Ganztagsschulen sind nun als Lern- und Lebensorte gefragt, mit den ihnen und auch ihren Kooperationsparter:innen zur Verfügung stehenden pädagogischen und psychologischen Mitteln bedarfsgerechte Angebote für die Schüler:innen zu gestalten. Es gilt, die erweiterten Zeiten, Räume und vor allem das Potential der multiprofessionellen Kooperation an der Ganztagsschule dafür einzusetzen.
Wenn zukünftig die Kinder und Jugendlichen wieder an die Schulen zurückkehren, heißt es nicht nur, den gemeinsamen Alltag wiederherzustellen, was eine immense pädagogische Aufgabe ist. Es wird sich wohl auch zeigen, dass Schulen Dreh- und Angelpunkte sind, um die Bearbeitung und ggf. Kompensation von Pandemiefolgen überhaupt zu ermöglichen, da am Ort Schule alle Schüler:innen erreichbar und über pädagogische Beziehungen auch individueller angesprochen werden könnenGanztagsschulen sind insbesondere in Berlin etablierte Orte, die zentrale Rahmenbedingungen und Strukturen für die Stärkung UND Förderung der Kinder und Jugendlichen, den Ausgleich von Lernverlusten UND die Bearbeitung der Krisenerfahrungen bereithalten, denn nur eine Verbindung dieser Ansätze scheint aus heutiger Sicht nachhaltig.

Welche Rahmenbedingungen und Strukturen machen Ganztagsschulen zu einer wichtigen Ressource für eine ganzheitliche und nachhaltige Bearbeitung der pandemiebedingten Folgen auf Seiten ihrer Schüler:innen?

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In einem Kollegium mit Pädagog:innen unterschiedlicher pädagogisch-professioneller Ausrichtung bspw. aus Schul- und Sozialpädagogik ist der Blick auf die Kinder und Jugendlichen idealerweise ganzheitlicher und die pädagogischen Handlungsoptionen sind weiter gefasst. Dies ist eine wichtige Voraussetzung für ein gutes Ineinandergreifen kompensatorischer Aktivitäten auf kognitiv-fachlicher und sozio-emotionaler Ebene. Insbesondere der Austausch unter den Pädagog:innen kann einen großen Beitrag zur Modellierung passgenauer Unterstützungs- und Förderangebote leisten und ggf. auch zur gegenseitigen Entlastung der Pädagog: innen untereinander beitragen. Unabdingbar ist in diesem Zusammenhang die planmäßige Absicherung von bezahlten Kooperations- und Absprachezeiten und die Gestaltung und Durchführung der Bildungselemente ausgerichtet an den verschiedenen Kompetenzen und fachlichen Expertisen der Pädagog:innen, um Qualität zu sichern und die Entgrenzung von Aufgabenbereichen zu vermeiden. 

Ein Vorteil der Ganztagsschule ist es, dass Schüler:innen und Erziehungsberechtigte unterschiedliche Ansprechpersonen haben (bspw. Lehrkräfte, Erzieher:innenSozialpädagog:innen), um über individuelle Anliegen sprechen zu können. Dies sollte als wichtige Ressource auch in der aktuellen Zeit hinsichtlich der individuellen Bedarfe der Kinder und Jugendlichen genutzt werden, indem aktiv Sprechzeiten und Kommunikationsanlässe geschaffen werden, die die pädagogischen Beziehungen reaktivieren und somit eine stabile Basis für Lernen und Entwicklung schaffen. 

Da Ganztagsschulen neben dem Unterricht vielfältige Lerngelegenheiten schaffen, bestehen hier erweiterte Möglichkeiten der individuellen und bedarfsgerechten Unterstützung der Schüler:innen beim fachlichen Lernen, beim Aufbau von Selbstlernkompetenzen und vor allem auch bei der Entwicklung sozio-emotionaler Kompetenzen und der Bearbeitung der Krisenerfahrungen. Insbesondere für die umfassende, kommunikative Ermittlung und pädagogische Diagnostik von Bedarfen kann das gesamte Potenzial der Ganztagsschule genutzt werden. Dieses Wissen ist fundamental für wirksame Kriseninterventionen und die Entwicklung bzw. Auswahl anschlussfähiger und bedarfsgerechter Angebote und Maßnahmen, die sowohl die Schüler:innen stärken als auch die Arbeit der Schule stützen. 

Nicht zuletzt kann die Ganztagsschule als themenvielfältiger Ort nach der langen Fokussierung auf Pandemie und Krise wieder die Auseinandersetzung mit anderen relevanten Themen von Kindern und Jugendlichen (bspw. Freundschaft, Klima, Migration, Demokratie etc.) anregen. Sie kann diesen zugleich aktuellen und zukunftsorientierten Themen aber auch dem sozialen Engagement und der Kreativität der Kinder und Jugendlichen Raum geben vor allem auch jenseits von leistungsorientierten Formaten. 

Gerade projektförmige, ggf. fächerverbindende Lernformate mit komplexeren Aufgabenstellungen aber auch der Möglichkeit des (gemeinsamen) Ausprobierens und Forschens können an Ganztagsschulen besonders gut umgesetzt werden. Diese eignen sich gerade in der Rückkehrphase zum Präsenzunterricht, um die Erfahrungen der Schüler:innen in der Pandemie und gesellschaftspolitische, lebensweltbezogene Fragestellungen sowie auch Schulentwicklungsfragen (Wie machen wir Schule nach der Pandemie?) in partizipativen Prozessen zu bearbeiten. Hierin steckt großes Potenzial, gestaltungs- und entwicklungsorientiertes Lernen zu fördern. 

Viele Ganztagsschulen weisen Lernzeiten für individuelles Üben, die Bearbeitung von Schulaufgaben und/oder für peer-to-peer Lernen aus. Zentraler Unterschied zum Unterricht ist, dass diese Zeiten explizit der Übung, Wiederholung und Vertiefung von Gelerntem dienen und damit prüfungsfreie Zeit sind. 

Die erweiterten zeitlichen Möglichkeiten von Ganztagsschulen und ihre Ausgestaltung als Lebensort gehen mit dem gesteigerten Anspruch einher, die Kinder und Jugendlichen aktiv an der Gestaltung des Schullebens zu beteiligen. Im Zusammenhandeln können die Kinder und Jugendlichen sich idealerweise als selbstwirksam erleben, können ihre sozialen, überfachlichen und auch fachliche Kompetenzen entwickeln. Erst Recht in Folge der Pandemie, während der weniger Selbstwirksamkeit als vielmehr Ohnmacht erlebt wurde, gilt es, demokratiepädagogische Elemente (bspw. Klassenrat, Schüler:innenparlament, Werkstätten zu aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen in Zeiten von Corona, Beteiligungsprojekte zu Fragen/Themen der Kinder und Jugendlichen) zu stärken und so zu Austausch anzuregen und Selbstwirksamkeitserfahrungen zu ermöglichen. 

Insbesondere durch das vielfältige Angebot und auch die ungebundenen Zeiten des Ganztages sichern Ganztagsschulen Räume für Gemeinschaftserfahrungen, Freundschaften und Bezugsgruppen, die in der Coronazeit nur sehr eingeschränkt vorhanden waren. Für die psychosoziale Entwicklung von Kindern und Jugendlichen sind persönliche Kontakte zu Gleichaltrigen und auch zu Erwachsenen von zentraler Bedeutung. 

Gerade vor dem Hintergrund vielfältiger und komplexer Unterstützungsbedarfe steckt ein großer Mehrwert für die Kinder und Jugendlichen in der Vernetzung außerschulischer Angebote untereinander und deren enger Kooperation mit Schulen – ein Ansatz, der der Ganztagsschulidee immanent istViele Ganztagsschulen verfügen über etablierte, wenn auch unterschiedlich intensive bzw. verzahnte Kooperationen mit freien Trägern der Kinder- und Jugendhilfe sowie weiteren lokalen Kooperationspartner:innen, deren Angebote und Möglichkeiten einer flexiblen Anpassung von Angeboten an die aktuelle Situation die unterrichtlichen Angebote sinnvoll erweitern (können). Im Zuge dessen bieten Ganztagsschulen auch über ihre Kommunikationsmöglichkeiten und die pädagogischen Beziehungen besondere Möglichkeiten, zwischen den Schüler:innen mit bestimmten Bedarfen und entsprechenden Unterstützungs- und Förderangeboten zu vermitteln und Brücken zu bauen, damit die Angebote auch wahrgenommen werden. 

Da Ganztagsschulen zeitlich einen großen Teil der Alltagsgestaltung ihrer Schüler:innen ausmachen ist die Zusammenarbeit mit den Eltern/Erziehungsberechtigten ein wichtiger Aspekt. Gerade in der aktuellen Belastungssituation aller Akteur:innen kann der Einbezug von Eltern/Erziehungsberechtigten in das Schulleben (bspw. in Elterncafés oder auch gemeinsam gestalteten Festen) alle Beteiligten stärken und die Unterstützung der Kinder- und Jugendlichen als gemeinsame Aufgabe unterstreichen.